Von Vögeln, für die es keine Grenzen gibt

Beim dritten Frauenmahl des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald geht es um das Thema „Eine Welt?!“

Groß-Umstadt. Der Gruß aus der Küche kommt aus Nordafrika, das Süppchen aus Deutschland, die Vorspeise aus Asien – mit Glückskeks. Der Hauptgang aus Amerika und das Dessert aus Australien. Eine Welt also auf dem Teller, aber eben auch „Eine Welt?!“ mit Frage- und Ausrufezeichen bei den Tischreden. Denn zum letzten Mal lud das Evangelische Dekanat Vorderer Odenwald zu einem reformatorischen Frauenmahl ein. Essen, reden, reformieren steht über der Veranstaltung, an der zum dritten Mal 88 Frauen aus der Region teilnahmen. Das Frauenmahl will gesellschaftlich und kirchlich engagierte Frauen zusammenbringen und Einblicke in andere Sichtweisen bieten – und das mit ganz viel Genuss.

Dafür wurden umso gründlicher die Herausforderungen einer globalisierten Welt gezeichnet. Etwa von Sabine Hahn, der Leiterin des Interkulturellen Büros im Landkreis Darmstadt-Dieburg, die zuständig ist für Integration und Teilhabe von Zugewanderten. Eine Aufgabe, die sie aus eigenem Erleben kennt. Aufgewachsen in Kenia und Iran, weiß sie, dass es viele Realitäten gibt. Regeln gelten in allen Kulturkreisen – und bedeuten dennoch Unterschiedliches. Um Integration zu fördern, braucht es Zeit und Begegnung, so ihr Votum.
Die Sichtweise einer jungen Deutschen mit türkischen Wurzeln, zeigte die Realität bundesdeutscher Integrationsbemühen: die junge Referendarin Pinar Kuzören, der als Kind von „Gastarbeitern“ wenig Entwicklung zugetraut wurde, musste sich ihren Platz erkämpfen und geht heute mit dem Verein InteGreater an Schulen. Sie wirbt dort für Bildung und eine offene Haltung Jugendlichen gegenüber – unabhängig von ihrer Herkunft.

Warum sind wir im Gefängnis? fragen Flüchtlinge am Flughafen

Berührend auch der Beitrag von Pfarrerin  Anke Leuthold, die in der Flüchtlingsseelsorge am Frankfurter Flughafen arbeitet. Sie erzählte von den Grenzen, mit denen sie tagtäglich zu kämpfen hat. „Warum sind wir im Gefängnis?“ fragen Flüchtlinge, die dort auf ihr Aufenthaltsrecht warten müssen. Warum gehen Fenster nur in den Innenhof? Warum müssen Menschen fünf Monate dort zubringen, um dann abgeschoben zu werden? Menschen, mit denen sie betet und hofft – und sie schließlich bei der Abschiebung begleiten muss. Und es schmerzt sie, wenn sie später zu Hause einen Spaziergang durch die Wiesen macht und dort Vögeln zusieht, die die Flügel ausbreiten und fortfliegen, weil es hier in Deutschland zu kalt für sie wird.
Wie man etwas ändern kann, zeigte Silvia Winkler von Oikocredit auf. Die internationale Genossenschaft wurde 1975 gegründet, um mit ethischen Geldanlagen Entwicklungen zu fördern: zum Beispiel in Bulgarien, wo eine landwirtschaftliche Genossenschaft von drei Frauen geleitet wurde. Durch einen Kredit hatten sie eine Aprikosen-Plantage angelegt und mit den Erlösen einen kleinen Dorfladen in ihrem von Landflucht betroffenen Ort eröffnet. Oder in Kambodscha, wo sich 40 Frauen wöchentlich zu Schulungen über den Umgang mit Geld trafen und danach einen Antrag auf Kredite für ein eigenes kleines Unternehmen stellten. „Stolz zeigte mir eine Frau ihre Suppenküche, die sie mit 125 Dollar Startkapital aufgebaut hat. Sie verkauft nun täglich Suppe zum Mitnehmen an die Fischer“, so Winkler. Es ist das Selbstbewusstsein und der Stolz, der sie bei diesen Frauen berührt. Die ihr Leben in die Hand nehmen, aber auch darauf angewiesen sind, dass die reichen Länder Gelder zur Verfügung stellen. Anlegerinnen haben dabei die Gewissheit, dass ihr Kapital eine größtmögliche Wirkung erzielt.
Eine Welt? Das Fragezeichen wurde durch ein Ausrufezeichen der Veranstalterinnen ersetzt. Ihre Wünsche an die eine Welt waren geprägt von Mut, Kraft und Hoffnung auf das verändernde Potenzial, das Frauen einbringen können.  (ack)

Hintergrund: Die Idee des Frauenmahls folgt einer alten Tradition im Hause Martin Luthers, in geselliger Runde bei einem guten Essen streitbare Tischreden zu halten. Das Frauenmahl 2016 mit dem Thema „Eine Welt?!“ war das dritte und letzte im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald. Im vergangenen Jahr ging es um „Die Macht der Bilder: Wer macht Bilder?“ und im Jahr 2014 um  „Frauen – Kirche – Politik: Leben zwischen Stadt und Land“. Die Organisatorinnen waren: Annette Claar-Kreh, Referat Gesellschaftliche Verantwortung, Andrea Alt, Referat Bildung, im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald; Liesel Delzeit, Cordula Habenicht, Rahel Vollmer, Dekanatsfrauenausschuss; Monika Abendschein, Büro für Chancengleichheit des Landkreises Darmstadt-Dieburg; Susann Herrmann-Leibe, FrauenFreiRäume – Frauen- und Familienzentrum e.V., Reinheim;  Hannelore Walz-Kirschbaum, Seniorenbeauftragte im Landkreis Darmstadt-Dieburg;  Brigitte Tkalec, Vorstandsmitglied Regionalbauernverband Starkenburg.

Homepage: www.frauenmahl.de.

(Fotos: K. Jablonski)

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