Rückblick DRK-Symposium: Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft informierten in der IHK / Expertenrunde bot Bürgern umfassenden Blick auf die Zukunft des Wohnens

Fachübergreifender Dialog, v.l.: Dr. Steffen Frischat (ENTEGA), Dr. Gregor Wehner (DRK), Sozialdezernentin Barbar Akdeniz, Rechtsanwalt Felix Schäfer (Haus & Grund Darmstadt), Jürgen Frohnert (DRK), Dr. Christian v. Malottki (Institut Wohnen und Umwelt).

Ein öffentliches Symposium zum Thema „Selbstbestimmt zu Hause leben – Wohnen der Zukunft“ führte das DRK Darmstadt am vergangenen Freitag (10. Juni) anlässlich des zurückliegenden 30-jährigen Jubiläums des DRK-Hausnotrufs durch. In fünf Referaten boten Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Wohnungswirtschaft und vom DRK-Kreisverband Darmstadt-Stadt den rund 70 Gästen vielfältige Informationen zu einem gesellschaftlichen Schlüsselthema. In den von der IHK Darmstadt zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten referierten und diskutierten Sozialdezernentin Barbara Akdeniz, Dr. Christian v. Malottki vom Darmstädter Institut für Wohnen und Umwelt, Dr. Steffen Frischat als Bereichsleiter Energieeffizienz und Lösungen der ENTEGA AG, Rechtsanwalt Felix Schäfer als Geschäftsführer der Eigentümerschutzgemeinschaft Haus & Grund Darmstadt und DRK-Geschäftsführer Jürgen Frohnert. Für die Moderation des Nachmittags hatte das DRK Prof. Dr. Gabriele Kleiner von der Evangelischen Hochschule Darmstadt gewonnen. Sie leitete auch die Diskussion im Anschluss an die Referate, in der im fachübergreifenden Dialog zahlreiche neue Impulse für die Stadtgesellschaft formuliert wurden.

Mit über drei Jahrzehnten Hausnotruf in Darmstadt und dem Landkreis sei man schon ein klein wenig stolz auf das, was man erreicht habe, stellte Dr. Gregor Wehner, Vorsitzender des DRK Kreisverbands Darmstadt-Stadt, in seiner Begrüßung fest. Zugleich bedankte er sich bei der ENTEGA AG für ihren Sponsorenbeitrag. Der anschließende Vortrag „Selbstbestimmt leben in Darmstadt“ der Darmstädter Sozialdezernentin veranschaulichte dieses zentrale Motto ihrer Arbeit; zumal in der Bürgerumfrage 2015 mehr als 80 % der Befragten die Schaffung von optimalem Wohnraum im Alter als sehr wichtig oder wichtig eingestuft haben. Es gehe darum, so Akdeniz, auch weniger Wohlhabenden eine Teilhabe zu ermöglichen. Derzeit seien rund 27.000 Personen in Darmstadt über 65 Jahre alt, rund 26.000 davon leben im eigenen Wohnraum, so die Dezernentin. Zugleich verwies sie darauf, dass die Stadt stets im Rahmen sehr guter lokaler Netzwerke agiere, beispielweise gemeinsam mit der von DRK-Geschäftsführer Jürgen Frohnert geleiteten Fachkonferenz Altenhilfe. Aktuelle Beispiele für die vielen Aktivitäten vor Ort seien der Verein „Hiergeblieben“ im Stadtteil Kranichstein und das „Senioren-Netzwerk Eberstadt“, so die Dezernentin.

Aus Sicht der Wissenschaft verwies Dr. Christian v. Malottki vom Darmstädter Institut für Wohnen und Umwelt in seinem Beitrag „Der demografische Wandel und das Wohnen der Zukunft“ darauf, dass die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre altersgerechtes Wohnen zukünftig stark nachfragen werden. Insofern werde der barrierefreie Umbau von Bestandsimmobilien zunehmend wichtiger werden. Weiterhin lebten derzeit 93 % der Personen über 65 Jahren ganz bewusst in der gewohnten häuslichen Umgebung, wobei viele nicht pflegebedürftig seien. Damit verknüpft sei der „Remanenzeffekt“, denn viele ältere Menschen lebten auf großen Wohnflächen. Von Malottki benannte Altersarmut als Herausforderung der Zukunft, außerdem erwarte er beim Verbleib in der eigenen Wohnung die Ausdifferenzierung eines seniorengerechten Zwischensegments, in dem z. B. technische Hilfen wie der Hausnotruf eine wichtige Rolle spielen.

Große Bedeutung von Netzwerken in Quartieren

Wie Menschen in Zukunft anders als bislang altern, beleuchtete Dr. Steffen Frischat von der ENTEGA AG in seinem Beitrag „Digitale Lösungen für Senioren und Seniorinnen“. Hierzu nannte er fünf Aspekte: Zunächst das „Verstehen“, denn künftig sei die Lebenssituation von älteren Personen stärker durch ihr Verhalten als durch ihr Lebensalter gekennzeichnet, z. B. ob sie selbständig oder auf Hilfe angewiesen sind. Als zweiten Aspekt nannte der das „Überbrücken“ zwischen Mensch, Technik und Umfeld und drittens verwies er auf das offene Vernetzen von Geräten, beispielsweise im Internet of Things. Anschließend nannte der mit dem Begriff „Dienste schaffen“ den Vorrang der mit einem Gerät verbundenen Dienstleistung und zuletzt betonte er die Wichtigkeit von Netzwerken oder Ökosystemen verschiedener Akteure in einer Nachbarschaft, jüngstes Beispiel sei hier die Nachbarschafts-App www.nebenan.de.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sich für Eigentümer und Vermieter für selbstbestimmtes Leben im Alter ergeben, beleuchtete Felix Schäfer von Haus & Grund Darmstadt. Beim barrierefreien Umbau einer selbst genutzten Eigentumswohnung sei besondere Sorgfalt geboten, wenn z. B mit dem Einbau eines Treppenlifts im Treppenhaus Gemeinschaftseigentum betroffen ist. Der Jurist empfahl Besitzern einer Eigentumswohnung, generell auf keinen Fall Umbauten – auch im der eigenen Wohnung – vorzunehmen, ohne die anderen Eigentümer gefragt zu haben. Wichtig ist, die gewünschten Maßnahmen durch einen von den Miteigentümern gefassten Beschluss hinreichend und präzise zu beschreiben. Das Wohnungseigentumsgesetz (§ 14 Nr. 1 WEG) besage grundsätzlich, dass der Gebrauch des Gemeinschaftseigentums nicht zum Nachteil der übrigen Wohnungseigentümer führen darf. Wenn es zu einer nicht unerheblichen Wertminderung der Gesamtanlage oder auch nur einer Wohneinheit kommt, müssen die Eigentümer nicht zustimmen. Der altersgerechte Umbau für Selbstnutzer einer Immobilie wird von der Kreditanstalt für Wiederaufbau gefördert (Kredit für altersgerechten Umbau – Produkt Nr. 159). Bei Mietwohnungen sieht das Gesetz dagegen vor, dass der Mieter einen Anspruch auf Zustimmung des Vermieters zu einem barrierefreien Umbau hat. Die Kosten für den Umbau hat der Mieter zu tragen. Der Vermieter kann seine Zustimmung verweigern, wenn sein Interesse an der unveränderten Erhaltung der Mietsache oder des Gebäudes das des Mieters am Umbau überwiegt. Er hat zudem die berechtigten Interessen der anderen Mieter zu berücksichtigen. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass der Vermieter einen altersgerechten oder barrierefreien Umbau der Wohnung vornimmt. Dann hat er die Kosten zu tragen. Er kann diese aber gemäß § 559 BGB in einer Modernisierungsmieterhöhung auf den Mieter umlegen. Der Vermieter kann die Jahresnettomiete um 11 % der Investitionssumme erhöhen. Generell sollten Mieter und Vermieter eine Modernisierungsvereinbarung treffen.

Im Mittelpunkt steht der Mensch

DRK-Geschäftsführer Jürgen Frohnert als Gastgeber wies darauf hin, dass auch angesichts neuester technischer Entwicklungen wie Altersgerechter Assistenzsysteme (Ambient Assisted Living) nach wie vor der Mensch im Mittelpunkt bleiben müsse. Insofern verkaufe das DRK keine Geräte, sondern die damit verknüpfte Dienstleistung. Aktuell seien im Darmstädter Stadtgebiet 800 Haushalte an die DRK-Hausnotrufzentrale angeschlossen (mit dem Landkreis insgesamt 1.400). Die Kundinnen und Kunden hätten ein Durchschnittsalter von 83,7 Jahren und nutzten den Hausnotruf durchschnittlich 48 Monate lang. Der Bereitschaftsdienst habe täglich 3 Einsätze. Für die Zukunft erwartet der Geschäftsführer die Entstehung Technisch-Sozialer Assistenzsysteme in mehreren innerstädtischen Quartieren, die bestehenden DRK-Tageszentren seien hier eine wichtige Keimzelle. Gegenwärtig biete das DRK der Wohnungswirtschaft individuelle Serviceverträge, z. B. den Anschluss bereits verbauter Sensorik an die DRK-Servicezentrale mit nachgelagerter Dienstleistung oder Sonderkonditionen für den klassischen Hausnotruf bzw. Serviceruf mit zu vereinbarenden Zusatzleistungen wie eine Wohnraumberatung.

In der anschließenden Diskussion unter Moderation von Prof. Gabriele Kleiner blieb Gästen und Referenten ausreichend Raum, gemeinsam die vielfältigen Facetten des Wohnens in der Zukunft zu vertiefen und offene Fragen zu klären. Beispielsweise wurde deutlich, dass viele ältere Personen den Hausnotruf aus Schamgefühl nicht nutzen möchten, obwohl es faktisch eine Selbstverständlichkeit darstellt und Dienstleistungen wie der Hausnotruf vor allem von Frauen und Alleinstehenden genutzt werden. Auch die Frage der zunehmenden Altersarmut wurde angesprochen. Das Symposium schoss mit dem Dank von Jürgen Frohnert an die Referenten und Gäste für die wertvolle Diskussion im Rahmen des DRK-Symposiums, das einen fachübergreifenden Dialog der Darmstädter Stadtgesellschaft ermöglichte. (Text / Fotos: la)

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