Babenhausen: Kreuzmarkt, Martinswein und Kerb - fast schon vergessene Traditionen

Die Kerbburschen des Jahrganges 1948/49 richteten vor fünfzig Jahren letztmalig die traditionelle Babenhäuser Kerb aus.

Alte Archivunterlagen berichten von drei Babenhäuser Jahrmärkten. Neben dem Kreuzmarkt, der bei der Kreuzkirche im Wald abgehalten wurde (bei dem Seligenstädter Weg), gab es noch einen Kirchweih- und einen Nikolaimarkt, die beide auf dem Babenhäuser Marktplatz und in den angrenzenden Gassen stattfanden.

Im Jahr 1788 wurden beim Markt in der Innenstadt 38 Stände aufgeschlagen, 19 standen auf dem Marktplatz, rund um den Marktbrunnen, 19 weitere Stände befanden sich in der Fahrgasse (bis zum Hospital am Bachtor) und teilweise auch noch in der Schlossgasse, wo rund um den Brunnen die Schmiede ihre Stände hatten.
Noch älter ist der Ausschank des „Martinswein“, den Reinhard II. zum ewigen Gedächtnis an die Treue seiner Untertanen stiftete. Vor Martini im Jahre 1419 stellten sie sich auf seine Seite (gegen die Mainzer und Ulrich V.). Seit diesem Tag bekamen die Babenhäuser Bürger aus der Schlosskellerei (1. Pfarrhaus in der Backhausgasse) ein Maß Wein. Leider hat sich dieser Brauch nicht bis in die heutige Zeit erhalten...
Bis in die heutige Zeit hat sich in Babenhausen leider auch nicht die alte Tradition der Kirchweih – der Kerb erhalten. Die Babenhäuser Kerb kann man bis in den Anfang des 14. Jahrhunderts zurückverfolgen. Ursprünglich feierte man sie wohl am Nikolaustag, später verlegte man sie (wahrscheinlich mit Rücksicht auf die kalte Jahreszeit) auf den Spätsommer. An diesem Tag lebte man auf großem Fuß, aß und trank sich rundherum satt. Höhepunkte wurden später der Kerbzug durch die Babenhäuser Gassen und die Kerbred. Nach alter Sitte schallte es durch die Altstadtgassen „Wem is die Kerb?“ - „Unser!“
Die letzte traditionelle Kerb wurde in Babenhausen 1967 gefeiert, vor fünfzig Jahren. Die Kerbburschen des Jahrganges 1948/49 organisierten und gestalteten die Kerb mit viel Engagement und Herzblut. Ein fünfköpfiges Organisationskomitee kam schon im Vorjahr zusammen um die damals dreitägige Veranstaltung zu planen. Die Aufgabenverteilung wurde hier ebenso besprochen wie die verschiedenen Kapellen, die an Kerb auftreten sollten. Auch die Finanzierung musste gut durchdacht werden, denn einige Kosten wie Hallenmiete und Gebühren für die GEMA mussten die Kerbburschen tragen. Die Gaststätte in der Stadthalle, damals noch die Kulturhalle Babenhausen, wurde 1967 von Elisabeth und Kurt Gößler betrieben. Kurt Gößler genannt „Icke“ war von 1958 bis 1969 Stadthallenwirt, der bestimmt einiges über die zahlreichen Veranstaltungen berichten könnte.
Zwar hatten die damals meist 18 und 19-jährigen Kerbburschen kaum Erfahrungen bei der Planung von einer solchen Großveranstaltung geschweige denn große Reichtümer für die Finanzierung – dies machten sie aber durch ein riesiges Engagement und reichlich Enthusiasmus wett. Siebzig Mark kamen in den „großen Topf“ und mit den Eintrittsgeldern der drei Tanzabende hat man am Ende nicht draufgezahlt, ist aber auch nicht reich geworden.
Am Kerbsonntag wurde die Kerb ausgegraben (in Form einer Flasche Wein) und anschließend setzte sich der Umzug in Bewegung. Voran eine Kutsche mit Kerbvadder Dieter Fengel und Herbert Lobdowski, der die Kerbred hielt. Im Anschluss folgte der Wagen mit den Kerbburschen. Am Montag feierte man die traditionelle „Lumbekerb“ hierbei zogen die Kerbburschen alte Kleider an und zogen von Kneipe zu Kneipe. Meist wurden die Kerbburschen von den Wirtsleuten und den Kerbgästen freigehalten und ein feuchtfröhlicher Tag fand seinen Abschluss mit einer Tanzveranstaltung in der Stadthalle bei „Icke“.
Obwohl in den vergangenen Jahren einige Male versucht wurde die Babenhäuser Kerb wieder zum Leben zu erwecken, konnte sich die Kerb nicht mehr etablieren. Der Jahrgang 1948/49 wird wohl - auch historisch gesehen - die letzten Babenhäuser Kerbburschen stellen, die Kerbburschen die zum Schluss noch eine jahrhundertlange Tradition bewahrten.      hz

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