„Ein großartiger Pfarrer ist heute verabschiedet worden“

Volles Haus beim Abschiedsgottesdienst von Udo Fischer, der nach 33 Jahren in Ober- und Nieder-Klingen in den Ruhestand geht

Pfarrer Udo Fischer bei der Entpflichtung durch Pröpstin Karin Held.

Die Nieder-Klinger Kirche ist viel zu klein, obwohl sie schon größer ist als die in Ober-Klingen. Die Straße vor der Kirche ist abgesperrt. Kurz bevor der Gottesdienst zum Abschied des langjährigen evangelischen Pfarrers Udo Fischer beginnt, sind alle Plätze in der Kirche besetzt und auch die Bierbänke unter dem Zelt davor, wo der Gottesdienst auf einen Monitor übertragen wird. Selbst der Schaukasten vor der Kirche ist ein Bilderbuch der zurückliegenden Jahre.

33 Jahre lang war Udo Fischer Pfarrer in Ober- und Nieder-Klingen, am Sonntagnachmittag wurde er von Pröpstin Karin Held entpflichtet und mit dem Gottesdienst und der anschließenden Feier in den Ruhestand verabschiedet.
Die Liste derer, die sich von ihm mit einem Beitrag verabschieden wollten, war lang: Der Posaunenchor spielte im Gottesdienst, der Singkreis Habitzheim sang, ebenso der Chor ConSonare, der Instrumentalkreis des Kirchspiels Otzberg spielte Segenwünsche und die Kinder des Kindergartens Habitzheim sangen: „Ciao, wie ist das schön, Sie hier zu sehen, doch einmal kommt die Zeit, in die Rente zu geh’n“.

Dann doch keine Entführung

An der Gottesdienstgestaltung waren neben der Pröpstin Pfarrer Joachim Meyer, Dekan des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald, Pfarrer Jan Scheunemann, dessen Lehrpfarrer Udo Fischer war, Vorgänger Klaus Heinle sowie Kirchspiel-Kollege und langjähriger Weggefährte Alfred Schwebel, Pfarrer von Hering-Hassenroth. „Wie macht man das, einen Menschen verabschieden, mit dem einen so viel verbindet?“, sagte Schwebel. Der Abschied sei schwer vorstellbar, weshalb sie im Kirchenvorstand überlegt hätten, wie sie ihn verhindern könnten. Zum Beispiel, indem sie die Pröpstin entführten oder aber Udo Fischer entführten. Nun, beide seien da und so gelte es, den Abschied zu gestalten.
Ein letztes Mal stand also Udo Fischer als „Klinger Parrer“ auf der Kanzel und leitete erst einmal zur Bastelarbeit mit bunten Papieren an, die zuvor in der Kirche und auf dem Vorplatz verteilt worden waren. Ermahnungen inklusive: „Jetzt stellt euch vor, was ich meinen Schaff gehabt hab mit euch, wenn net mal das Einfache gelingt!“ Gelächter in den Bankreihen drinnen wie draußen.

Eine Fischpredigt zum Abschied

Das Papier wurde schließlich ein Fisch, und so handelte auch die Predigt vom „Menschenfischer“ Udo Fischer, der Menschen für das Reich Gottes habe einfangen wollen, dem der eine oder andere leider entschlüpft sei, vom Fischzeichen als Bekenntnis, das viel älter sei als das Kreuzzeichen, von der legendären Predigt des Antonius in Rimini, der den Fischen am Strand predigte – da sei er manchmal knapp drumherum gekommen. Weiter predigte er von Fischerlebnissen, wie zum Beispiel eines mit einem ehemaligen Konfirmanden, der auf Fischers Aussage, er könne auch mal wieder in die Kirche kommen, antworte: „Parrer, ich denk jeden Monat an Dich!“ Oder vom Evangelischen Kirchentag in Stuttgart, als ihn die Konfirmanden vor einem aufgeschütteten Salzberg fragten, ob sie Ober-Klingen hineinpinkeln sollten. „Ich habe meinen Beruf so ausgeübt, wie ich es kann und es meinem Naturell entspricht“, sagte Udo Fischer und dankte allen, die ihn begleitet und unterstützt und gemocht haben und bat die anderen um Verzeihung.

Segensgeste mit Metermaß

Schließlich war der Moment der Entpflichtung gekommen, wie die Verabschiedung aus dem kirchlichen Dienst genannt wird. Er habe hier seinen „Platz gefunden, Heimat gefunden“, sagte Pröpstin Karin Held, und das sei auch nicht überraschend, schließlich habe Klingen schon so manchen verzaubert. Sie spielte auf den Dichterpfarrer Karl Ernst Knodt an, der von 1882 bis 1904 in Ober-Klingen Pfarrer war, viele Gedichte schrieb und in seinem Pfarrhäuschen den jungen Hermann Hesse und andere Dichter zu Gast hatte. „Wir sind uns also einig: Von einem Pfarrer hier in Klingen erwartet man wenigstens einen Gedichtband“, scherzte die Pröpstin. Sie schilderte den Scheidenden als offen, menschlich und leutselig, er kenne die Leute, sei immer erreichbar. Zwei Sätze habe sie sich besonders gemerkt: Ein Kind soll mal im Gottesdienst gefragt haben, ob der Pfarrer der liebe Gott sei, ein anderes Kind soll bei der Segensgeste gesagt haben: „Was hat der Pfarrer für eine große Spannweite!“ Wie groß ist sie wirklich? Alfred Schwebel und Dekan Joachim Meyer nahmen Maß und kamen auf 1,63 Meter. „Für Deinen langen segensreichen Dienst danke ich Dir“, sagte die Pröpstin, nachdem sie die Entpflichtung vorgenommen hatte.
Nach Fürbitte, Gebet, Segen und Musik ging es nach einer Stärkung vom reichhaltigen Büffet und an der Sektbar mit Grußworten vor der Kirche weiter – von den Kirchenvorständen, Wegbegleitern, Kollegen. „Was Udo denkt, das sagt er, und was er sagt, das meint er“, sagte Dr. Michael Vollmer, Präses des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald. „Ein großartiger Pfarrer ist heute verabschiedet worden.“ Otzbergs Bürgermeister Matthias Weber erzählte, dass er Udo Fischer 1985 als Jugendlicher zum ersten Mal bei einer Taufe erlebt und sich gedacht habe, „was für ein cooler Pfarrer“. Daran habe sich bis heute nichts geändert.

(Text/Fotos: S. Rummel)

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