An die Kirchenvorstände der Evangelischen Kirchengemeinde Langstadt

Sehr geehrte Kirchenvorstände!
Es stand nicht in den „Mitteilungen aus dem Kirchenvorstand“, ist aber „durchgesickert“: Der Langstädter Kirchenvorstand hat einen Acker an die Kiesindustrie (Heidelberger Zement) verkauft. Dazu möchte ich einige Ausführungen machen:

Als ich noch Kirchenvorstands-Vorsitzender war, hatte ich nur wichtige Beschlüsse über die Abkündigungen und den Gemeindebrief kommuniziert. Erfreulich ist insoweit die Rubrik „Mitteilungen aus dem Kirchenvorstand“ im Gemeindebrief, in dem viele Entscheidungen der Gemeinde mitgeteilt werden und man hat so den Eindruck recht umfassend informiert zu sein.
Nun zeigte sich aber, dass ein wesentlicher Beschluss des Kirchenvorstands nicht veröffentlicht wurde. Ich habe dazu kritische Gespräche mit der Kirchenvorstands-Vorsitzenden und dem Pfarrer geführt und das Ansinnen gehabt, dazu etwas im Gemeindebrief zu veröffentlichen, der ja ein Forum der Kirchengemeinde ist. Ein Artikel von mir dort wurde abgelehnt mit der Begründung, es sei das Mitteilungsorgan des Kirchenvorstands. Da nun die Information vorliegt, dass der Acker- verkauf – wohl auf Anraten der Kirchenverwaltung Darmstadt – den Gemeindemitgliedern überhaupt nicht mitgeteilt werden soll, habe ich mich zu diesem offenen Brief an Sie entschlossen.
Denn ich bin der Meinung, dass die Gemeindemitglieder ein Recht darauf haben zu erfahren, was mit dem gemeindlichen Eigentum passiert und zudem das Recht haben, Entscheidungen kritisch zu begleiten.
Nun zum konkreten Punkt, dem Verkauf des Ackers an die Kiesindustrie: Vor Jahren – 1997 – war Langstadt ziemlich in Bewegung, da es das Ansinnen gab einen großen Kiesabbau-Bereich in der Gemarkung zu schaffen, nämlich Richtung Babenhausen zwischen Straße, Bahnlinie, Wald und Aussiedlerhof Selzer. Dieses 60 Hektar-Projekt konnte verhindert werden. Inzwischen sind fast unbemerkt zwei Kiesgruben längst in die Gemarkung „hineingewachsen“: Die Grube Kriechbaum bei Hergershausen und der „Sickenhöfer See“ am Kalksandsteinwerk (Heidelberger Zement). Letztere ist erst vor kurzem erheblich erweitert worden. Wie alle Kiesabbauer im Raum Babenhausen trachten auch diese Werke nach zusätzlichen Erweiterungen.
Bis über den Windschutzstreifen in Richtung Langstadt zeigt der regionale Raumordnungsplan eine „Vorbehaltsfläche Kiesabbau“. Das bedeutet: Diese landwirtschaftliche Fläche kann auf Antrag von den entsprechenden Gremien und Behörden in eine Kiesabbaufläche umgewidmet werden. Die städtischen Gremien von Babenhausen haben ein solches Ansinnen in aller Regel befürwortet und gefördert – es gab nur zwei Ausnahmen: Der oben erwähnte Bereich bei Langstadt und eine Fläche bei Harreshausen zwischen der Bahnlinie nach Stockstadt und dem Dorf. Die Umwandlung ist umso wahrscheinlicher und schneller möglich, wenn dem Kiesabbauer schon große Flächen in dem von ihm beantragten Erweiterunsareal gehören. Also kurz gesagt: Der Kirchenvorstand hat der Vergrößerung des Kiesabbaus am Kalksandsteinwerk in Richtung Langstadt erheblichen Vorschub geleistet!
Gerade auch unsere Gegend ist bereits von großen Kiesabbau-Bereichen beeinträchtigt. Es müsste sich doch herumgesprochen haben, dass dieser Grundwasser-Aufschluss, den das be- deutet, nicht unproblematisch ist: Verdunstung, besonders in den niederschlagsarmen Sommermonaten, Gefahr der Verunreinigung, worauf die Wasser- werke bei ihren Stellungnahmen immer wieder vergeblich hinweisen. Auch ist das Land dauerhaft jeglicher landwirtschaft- lichen Nutzung entzogen. Zwar wird die Bedeutung der Landwirtschaft in einem Industrieland oft nicht gesehen, doch denke ich hier nicht weiter ausführen zu müssen, welchen existentiellen Wert sie hat.
Leider erfolgt die Auskiesung von Flächen immer schneller. Selbst während des Bau-Booms der 1960er und 70er Jahre, in denen auch mehr Massiv-Wohnhäuser errichtet wurden, wurde nicht so viel Kies hier abgebaut wie jetzt. Nach dem Raumordnungsplan sollen die hiesigen Kiesgruben den Regionalbedarf decken; als Richtwert wird ein Absatzmarkt im Umkreis von ca. 35km genannt. Es ist offensichtlich, dass der Kies von hier in erheblich weiter entfernte Absatzmärkte geht. Dies wird dadurch begünstigt, dass die Kiesabbauer hier nicht mit den Bodenschätzen „haushalten“ müssen. Schließlich genehmigt die Stadt Babenhausen – und damit auch das Bergamt – fast jede Erweiterung.
Nun also hat der Kirchenvorstand Langstadt die Firma Heidelberger Zement mit dem Verkauf des Kirchenackers der nächsten Erweiterung ein Stück weitergebracht. Unsere Kirche gibt immer wieder Stellungnahmen ab, die zum sorgsamen Umgang mit Ressourcen, Be- wahrung der Schöpfung, den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft und die Prioritätensetzung nicht zu Gunsten von maximalem Gewinn sondern zu Verantwortung aufrufen. Auch unser Pfarrer hat sich in seinen Predigten schon wiederholt entsprechend positioniert. All das kann ich nur voll und ganz unterstützen. Dies passt jedoch mit diesem Ackerverkauf absolut nicht zusammen!
Meine Kritik gilt sowohl dem Kirchenvorstand Langstadt sowie der Kirchenverwaltung Darmstadt, die sonst zu Recht darauf gedrängt hat keinen Grundbesitz zu veräußern und hier dies ermöglicht, wenn nicht gar befürwortet hat. Ich muss leider davon ausgehen, dass sich der Kirchenvorstand (und wohl auch die Kirchenverwaltung) bei der Entscheidung zu sehr von den zu erzielenden Einnahmen haben leiten lassen – und Landwirtschaft und Umweltproblematik nicht die ihnen gebührende Rolle spielten. Man hat manchmal schon von Kirchengemeinden gehört, die aus einem anderen „Holz“ sind, die Kirchengrundstücke bewusst nicht veräußern und umweltschädliche Vorhaben verzögerten oder gar verhinderten, da sie ihre Flächen als „Sperrgrundstücke“ einsetzten.
Begünstigt wurde die Entscheidung durch den Umstand, dass die Sitzungen des Kirchenvorstands nicht öffentlich erfolgen, ja selbst die Tagesordnung „intern“ bleibt. So gab es in der Gemeinde keine Kenntnis von dem beabsichtigen Verkauf und entsprechend keine öffentliche Diskussion, die bei der Ent- scheidung hätte einfließen können oder zumindest Impulse hätte bringen können. Hier wäre eine Änderung notwendig und inzwischen auch kirchenrechtlich möglich: Die Kirchenvorstands-Sitzungen können zu öffentlichen Sitzungen werden, zu denen unter Veröffentlichung der Tagesordnung auch die Gemeindemitglieder als Gäste eingeladen werden. Wenig mehr wie Personalangelegenheiten sind dann noch nichtöffentlich zu behandeln und es ergäbe sich die bestmögliche Transparenz. Dies rege ich hiermit ausdrücklich an!
Mit freundlichen Grüßen
Frank Ludwig Diehl
Langstadt

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