Kiesabbau Akazienhof

Dieser Tage fand der Erörterungstermin um die Weiterführung des Kies-Abbauvorhabens „Akazienhof“ statt und es ist mir ein Anliegen, meine subjektiven Eindrücke davon einer breiteren Öffentlichkeit mitzuteilen.Unter den noch nicht einmal zwei handvoll privaten Einwendern, war ich wohl der Exot, der weder materielle noch wirtschaftliche Ambitionen für seine Bedenken vorbrachte, sondern allgemeine und ideelle. Schließlich besitze ich in der betreffenden Gemarkung weder Flächen, noch will ich mich dort durch Sand und Kies bereichern.

Von daher waren meine primären Einwände vom Moderator bequem zu behandeln und ordentlich protokolliert zu den Akten zu legen. Zu ungewohnt scheint es zu sein, sich für nicht-messbare, nicht-bewertbare, und von daher nicht-bezahlbare Größen wie z.B. Wertachtung, Verantwortung und Verbundenheit zur Heimat einzusetzen, um in einem solchen Verfahren auf einer der beiden Waagschalen zugeordnet zu werden.

Folglich blieben die harten, berechenbaren Interessenskonflikte zwischen den ansässigen Landwirten und dem beantragendem Unternehmer, vor dessen souveränem Auftreten man fast schon geneigt wäre, ein Hauch Beeindruckung aufkommen zu lassen. Nicht gänzlich frei von Stolz erwähnt der Geschäftsführer seine langjährige Erfahrung in diesem Geschäft, und man kann sich fast schon bildlich vorstellen, wie unsicher dagegen so mancher unerfahrene Lokalpolitiker der von ihm gespurten Loipe folgt.

Getreideanbau versus Kiesabbau ist auf den ersten Blick das vorrangig herrschende Kriterium und beide Seiten drohten mit dem persönlich existenziellen Ruin, falls die jeweils andere Seite zu ihrem angeblichen Recht komme.

Ja leider: Materiell-wirtschaftliche Aspekte sind nach wie vor envouge in der politischen Entscheidungsfindung.

Ein wenig Hoffnung keimte bei mir auf, als die Vertreter der oberen und unteren Naturschutzbehörde ihre Belange artikulierten. Doch wen wundert’s - die im Kampf für das Gute bis zur Ernüchterung müdegekämpften „Krieger für das Leben“, zeigten sich damit zufrieden, wenn ein paar Flachwasserzonen für Reptilien entstehen und dafür Sorge getragen wird, dass eine vorübergehende Steilwand für die Uferschwalben erhalten bleibt.

Wie zum Hohn bringt dies nebenbei reichhaltig „Biotopwertpunkte“ aufs Konto des heimatzerstörenden Kiesabbaues. Na wenn sich da nicht das Konsortium freut!

Gleichfalls gutgelaunt zeigte sich die Geschäftsleitung über die fürsorgliche Anfrage, „wer denn für die Kosten der Wegeinstandhaltung aufkommt?“ Doch hoffentlich nicht die Stadt! Aufatmen: Charmant gönnerhaft übernimmt das im Umgang mit mineralischem Material routinierte Unternehmen diesen Part. Es ist fast schon wunderbar, wie einfach und billig sich „Sympathiewertpunkte“ erbeuten lassen. Hier versteht halt Jemand, mit der Wurst nach dem Schinken zu werfen.

Wohlgemerkt: Wir reden hier nur über die bewertbar und messbaren Belange. Die weichen und unkalkulierbaren Kosten werden lediglich protokolliert.

Richtig spannend zum genauen Hinhören wurde es am Nachmittag, und dies, obwohl der lobenswert faire Moderator die wenigen privaten Einwender darauf hinwies, dass es jetzt fachbezogen trocken wird. Dabei verlagerte sich der ungleichmäßige Interessenkonflikt Kies contra Landwirtschaft nun auf den konkurrierenden Anspruch zweier Rohstoffe: Kies contra Trinkwasser. Auf der einen Seite die kommerzielle Riege unterschiedlichster Würdenträger - andererseits die einwanderhebenden Vertreter zweier Wasserwerke, sowie die geballte Wissenskapazität der oberen Wasserbehörde des Regierungspräsidiums.

Ein Gegenüberstellen von Grundwasser-Grenzwertständen und Fließrichtungen begann, und irgendwann redete man sich fest im unklaren Treibsand eines zukünftig noch zu erstellenden Grundwasserberechnungsmodells.

Wiedermal ging es lediglich um Messbares: Das verwertbare Quantum Wasser. Nachdem unter dem Qualitätsaspekt der betreffende Experte der verantwortlichen Behörde fast schon still verschluckend das Wort „Sabotage“ in den Mund nahm, stellte ich an die Gelehrten beider Seiten die klare Frage: Wie soll in Zukunft das offengelegte Trinkwasser geschützt werden? Nun das eigentlich erstaunliche: Hilfloses Schweigen und ratloses Untersichblicken lieferten eine starke Aussage.

Schließlich fielen dem dafür Zuständigen   Seitens des Unternehmens doch noch einige nette praktische Ideen ein: Ein hoher Zaun! Und Hecken! Und ein Rückbau sämtlicher Zufahrtswege! Hurra! Die Lösung, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, wo die ausgebautete Fläche wieder an den Naturschutz geht. Uff!

Dann hat wieder mal die Allgemeinheit die zuständige Verantwortung und die Kosten der Sicherungspflicht zu stemmen. (Hier ein Tipp an die Stadtverwaltung: Jetzt schon für diese Folgebelastungen ansparen!). Die Wirtschaftsfraktion hat jedenfalls eine - genauer: irgendeine Antwort auf mein besorgtes Anfragen gegeben.

Nun beschwichtigte auch die hoffentlich kompetente junge Dame aus der Wasserbehörde: Es würde alles getan um während des ca. 30jährigen Betriebs der Rohstoffausbeutung die Gewässer zu schützen - entsprechende Auflagen bestünden und würden konsequent ... usw. Das übliche halt.

Und außerdem „Wer wisse schon was in 100 Jahren ist?!“ Oohh!

Spätestens hier brach mein Vertrauen in Politik und Institution durch das dünne Eis des Baggersees.

Wir wissen also nicht, was in 100 Jahren ist! Einiges kann man aber mit großer Sicherheit jetzt bereits annehmen: In 100 Jahren und danach wird auf besagter Fläche weder Roggen, Mensch noch Feldlerche anzutreffen sein. In 100 Jahren sind die heute Verantwortlichen längst im Sande vergraben. In 100 Jahren sind unsere Kinder und Enkel damit konfrontiert, wie sie mit unseren Fehlentscheidungen leben können. Konkret: Wie sie die offenen Trinkwasservorräte weiterhin schützen können - und zwar nicht allein vor der kaum zu verwehrenden Sabotagegefahr. In 100 Jahren besteht vielleicht dieses Kieskontor nicht mehr und folglich auch keiner, der für eine etwaige Haftung herangezogen werden kann. Zumal die Fläche wieder „an den Naturschutz fällt“.

In dieser grotesken Situation bemühte sich nun der ansonsten sehr ausgleichende Moderator auf seine rheinisch-fröhliche Weise um ein Beruhigen meiner Aufgeregtheit. Fürsorglich erklärte er, dass es schließlich „die gesetzliche Pflicht der Wasserwerke sei“, uns mit genügend Wasser in ausreichender Qualität zu versorgen.

Es gäbe auch bestimmt techn. Aufbereitungsmöglichkeiten um dies in jedem Fall zu gewährleisten. Warf mir da jemand Sand in die Augen? Ja klar doch: Es gibt diese Gefahr für unser aller Wasser doch bereits in Hülle und Fülle. Und nie ist was passiert. Also was soll’s.

Außerdem zaubern selbst die Scheichs in Kuweit Trinkbares aus dem Meer, mit ihren Milliarden aus dem erschöpflichen Ölgeschäft. Dann werden wir entsprechende Leistungen doch wohl ebenfalls bieten können, mit unseren Milliarden aus dem Schuldenbergwerk.

Ob dafür auch das Bergamt des RP zuständig ist?

Überzeugen konnte mich dieses letztenendes verantwortliche, zulassungserteilende Amt jedenfalls nicht.

Solcherlei fehlerhafte und dennoch getroffene rechtmäßige Verfahren hatten wir schon öfter erlebt und nicht überall wurde die Kurzsichtigkeit so offensichtlich wie durch die verzweifelte Suche nach einer endgültigen Lösung des Atommülls.

Man muss nicht wissen was in 100 Jahren ist. Doch wenn man über ein so elementares Gut wie das Trinkwasser (von dem es heißt, dass darum die zukünftigen Kriege geführt werden) zu entscheiden hat, sollte um noch weitaus mehr Weitsicht und Verantwortung gerungen werden.

Erscheint den Verantwortlichen diese Sorge überzogen? Wie eine Ironie des Schicksals, hörte ich am Tag nach der Erörterung die Nachricht im Radio, wonach im Gardasee das Trinkwasser durch mikrofeine Kunststoffpartikel belastet ist. Betreffende Untersuchungen würden nun auch am Bodensee erfolgen.

Die Sand- und Kies GmbH sucht legitim nach neuer Ausbeute. Der Landwirt benötigt ebenfalls legitime Flächen für unser täglich Brot. Und zukünftige Generationen haben bereits heute schon ein legitimes Recht auf ein natürliches Lebensumfeld sowie intakte Trinkwasserreserven.

Babenhausen wird damit leben müssen, dass noch weitere Landschaftsbereiche in unzugängliche Sicherheitszonen verwandelt werden. Ein jetzt bereits hoher Preis für den Nutzen Weniger, der selbst durch die Reduzierung auf eine ach-so-liebliche Altstadt nicht aufgefangen werden kann. Es liegt an uns, ob wir am inneren Tellerrand abrutschen, oder mehr Weitsicht wagen, - damit nicht nur eine zerstörte Landschaft und die Namen der dafür Verantwortlichen zurückbleibt. Wie gefährlich ist eine Politik, die den Unterschied zwischen Wachstum und Entwicklung nicht mehr kennt. Und wie ärmlich ist ein Mensch, der in seinem direkten Lebensumfeld nicht Schützenwertes mehr erkennt.

Unsere Kinder und Enkel haben rücksichtsvollere und zugleich weitsichtigere Eltern verdient um in den Belangen um Kies, Anbauflächen oder Trinkwasser nicht gänzlich mit dem Rücken zur Wand zu stehen.

Martin Hartmann

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20. Dezember 2013 - 14:18

Erörterungstermin Kiesabbau Akazienhof

Lieber Herr Hartmann, ich kenne Sie zwar leider nicht und bin mit dem Thema (Schande über mich!) überhaupt nicht vertraut, ziehe aber meinen Hut vor Ihnen angesichts Ihres Kommentars!! Ich befürchte leider, dass Sie Recht behalten werden und am Ende zugunsten der wirtschaftlichen Interessen entschieden werden wird. Schade. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir Babenhäuser Bürger endlich mal auf die Barrikaden gehen?! Oder ist Trinkwasser nicht eines der wichtigsten Güter überhaupt? Nachdenkliche Grüße, Patricia Schmied-Enzmann



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