Traumabehandlung von Flüchtlingen

Sozial- und Integrationsminister Stefan Grüttner: "Bundesweit einmaliges Projekt zur Betreuung von traumatisierten Frauen und Kindern startet in Darmstadt mit dem Sigmund-Freud-Institut"

Bei seinem Besuch der Flüchtlingsunterkunft in Darmstadt gab der Hessische Minister für Soziales und Integration, Stefan Grüttner, den Startschuss für ein Modellprojekt zur Betreuung von traumatisierten Frauen und Kindern, das gemeinsam mit dem Sigmund-Freud-Institut (SFI) durchgeführt wird. "Ich freue mich, dass Hessen einmal mehr Vorreiter ist und wir heute in Darmstadt ein bundesweit einmaliges Projekt zur Betreuung von traumatisierten Flüchtlingen vorstellen können und zwar gemeinsam mit einem so starken und kompetenten Partner wie dem Sigmund-Freud-Institut. Damit gehen wir konsequent weit über die Aufgaben der Unterbringung der Flüchtlinge hinaus und legen die Grundsteine für Integration - wie im Aktionsplan der Hessischen Landesregierung zugesagt!" Grüttner betonte, dass gerade die im Rahmen des LOEWE-Forschungsprogramms ausgewiesene Kompetenz des SFI ein Beleg für die Leistungsfähigkeit der wissenschaftlichen Einrichtung sei.

"Migration und Flucht sind immer mit Aufbruch und Hoffnung auf ein besseres, sicheres (Über)leben verbunden. Sie sind aber auch mit vielen Verlusterfahrungen verbunden. Mit dem Modellprojekt STEP-BY-STEP holen wir die Menschen jetzt bei ihren dramatischen Erlebnissen ab und geben ihnen eine erste Sicherheit - in Mitmenschen und Umgebungen - zurück. Zwar werden die Flüchtlinge bei den Erstuntersuchungen immer auch auf die denkbaren Trauma hin untersucht und wenn es notwendig ist, entsprechend behandelt. Mit STEP-BY-STEP gehen wir aber einen ganz großen Schritt weiter. Durch das Erleben der Alltagsstrukturen vermitteln wir unsere Sprache und die Werte unserer Gesellschaft. Das ist Integration von Beginn an“, erläuterte der Minister. Die Einrichtung in Darmstadt, „das Michaelis Dorf“, biete den Flüchtlingen Sicherheit und Schutz und dem Gefühl der Entwurzelung, der Einsamkeit und der Unsicherheit werde aktiv entgegengewirkt. "Dafür sind Alltagsstrukturen, Kontakt und Beziehungen untereinander entscheidend: Wie in einem Dorf soll ein erstes Gefühl der Gemeinschaft, eines ersten Ankommens und Aufgehobenseins, entstehen, was sich, wie viele Studien zeigen, als entscheidend für die spätere Integrationsbereitschaft der Flüchtlinge auswirkt", so Grüttner."Traumatisierungen sind Erfahrungen, in denen Menschen extremen Gefühlen von Verzweiflung, Ohnmacht und Hilflosigkeit ausgesetzt sind, meist verbunden mit Todesangst. Zudem bricht das Urvertrauen zusammen, die Betroffenen können sich auf nichts mehr verlassen, nicht auf andere und nicht auf sich selbst. Daher reagieren Traumatisierte auf die genannten Migrationserlebnisse und auf erneute Erfahrungen von Passivität und Ohnmacht besonders verletzlich. Viele Studien zeigen, wie wichtig es ist, traumatisierten Menschen möglichst zeitnah Hilfe anzubieten, um Langzeitfolgen für sie und die nachkommenden Generationen zu mildern. Allerdings muss zuerst Vertrauen aufgebaut werden. Das tun wir in der Dorfstruktur und im Projekt", so Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber, Geschäftsführende Direktorin Sigmund-Freud-Institut.Prof. Dr. Andresen von der Goethe Universität Frankfurt am Main ergänzt: "Gerade für Kinder und Jugendliche ist es wichtig, dass sie auch schon die Erstaufnahmeeinrichtung als einen kinderfreundlichen Ort erleben. Sie wollen sich dort sicher fühlen und ihre Fähigkeiten einbringen können. Ein solcher Ort muss gestaltet werden, und zwar durch  Bildungs- und Freizeitangebote, durch Mitgestaltungsmöglichkeiten, durch Erwachsene, die aufgeschlossen sind. Das Projekt, an dem Studierende beteiligt sind, zielt eben auch darauf, möglichst gut für die Arbeit mit geflüchteten Kindern, Jugendlichen und Familien zu befähigen." "Das Pilotprojekt ist bundesweit das erste seiner Art und startet hier in Darmstadt, da hier überwiegend Frauen mit Kindern getrennt untergebracht sind. Die Infrastruktur des Standortes ist daher sehr geeignet, um zu sehen, wie die Bedürfnisse von „traumatisieren Flüchtlingen“ sowie „Frauen mit Kindern“ sind. Erkenntnisse können dann auch auf andere Standorte übertragen und für diese nutzbar gemacht werden. Ich gehe davon aus, dass hier ein erheblicher Mehrwert für alle Einrichtungen in Hessen generiert wird", erklärte der Hessische Sozialminister. STEP-BY-STEP werde das Team im „Michaelis Dorf“ mit einer Vielzahl von Angeboten dabei unterstützen, stabile Alltagsstrukturen anzubieten, die den Flüchtlingen sichere Orientierungen, einen ersten Halt und verlässliche Beziehungserfahrungen bieten, um Gewalt, Desintegration und Re-Traumatisierungen entgegenzuwirken."Ziel ist, jedem Flüchtling pro Tag ein Angebot zu geben, in dem er aktiv gefördert wird („etwas bekommt“) und weitere zwei Stunden eine Eigenaktivität entfalten kann, in dem er persönlich eine Tätigkeit für das Dorf ausführt („etwas gibt“). Ich finde es eine großartige Leistung, dass das Team vor Ort innerhalb weniger Wochen für alle Altersgruppen im „Dorf“ mindestens einmal wöchentlich einen „Sprachkurs“ sowie einen täglichen Kindergarten organisiert hat. Die Angebote des SFI sind Ergänzungen dieser Möglichkeiten", lobte der Minister. Die Angebote sind „FIRST STEPS“ und ergänzen die schon entwickelten Angebote. Sie werden von den Projektleiterinnen, erfahrenen und jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Sigmund-Freud-Instituts sowie Wissenschaftlerinnen und Studierenden der Goethe Universität Frankfurt in enger Kooperation mit den Fachkräften und den ehrenamtlichen Helfern im „Dorf“ realisiert. Alles sind niedrigschwellige Angebote zur Betreuung, Beratung und Bildung von Kindern, Jugendlichen und Familien in Michaelis Dorf.
 
1)      Supervision für das Betreuerteam in „Michaelis Dorf“.
2)      Abklärungen und Kriseninterventionen für traumatisierte Flüchtlinge bzw. besonders bedürftige Familien (mit Kleinkindern)  im Rahmen einer psychosomatisch/ therapeutischen Sprechstunde (in Kooperation mit Pro Familia und dem medizinischen Team im Dorf).
3)      ERSTE SCHRITTE Gruppen für Schwangere und Frauen mit Babys/Kleinkinder (vgl. www.sigmund-freud-institut.de).
4)       (therapeutische) Malgruppe für Vor- und Grundschulkinder.
5)      Lerngruppen und Einzelbetreuungen für Kinder im Vorschul- und Grundschulalter.
6)      Gruppenangebote für Jugendliche.
7)      Gruppe für jugendliche Mädchen und ihre Mütter.
8)      Fortbildungs – (oder Gesprächs) Gruppen für Erwachsene.

Es sind niedrigschwellige Angebote zur Betreuung, Beratung und Bildung von Kindern, Jugendlichen und Familien, die aber wissenschaftlich begleitet werden, um fundierte Erkenntnisse zu erhalten, welche Angebote besonders wirksam und auch auf andere Standorte übertragbar sind. Auch mit Blick auf die langfristige Integrationsaufgabe eine wichtige Vorgehensweise. Durch die Zusammenarbeit mit der besonderen Expertise des SFI unter der Leitung von Frau Prof. Leuzinger-Bohleber, der Goethe-Universität und dem Betreuerteam vor Ort, sei es möglich, insbesondere den Flüchtlingsfrauen schnell und unkompliziert Hilfe anzubieten, die traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten und Vertrauen in andere Menschen zurückzugewinnen. Abschließend betonte Grüttner: "Mit dem Pilotprojekt STEP-BY-STEP setzen wir eine weitere Maßnahme im Sinne des Aktionsplans der Hessischen Landesregierung um. Wir haben in 2015 gezeigt, dass Hessen Hand in Hand mit allen anderen Akteuren wie den Städten und Kommunen, den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, den Hilfsorganisationen und vielen, vielen mehr, in der Lage ist, eine Herkulesaufgabe zu stemmen. Und das, obwohl selbst das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Prognosen gleich mehrfach drastisch nach oben korrigieren musste. Wir hatten 80.000 Erstantragsteller, haben allen Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf geboten und Obdachlosigkeit verhindert. Darauf bauen wir in 2016 auf. Und wir gehen mit Projekten wie STEP-BY-STEP den Weg zu einem guten Ankommen und damit einer Chance für echte Integration konsequent weiter." (Text: Hessisches Ministerium für Soziales und Integration)
 

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