In der Aula der Bachgauschule hatten sich Schülerinnen und Schüler des Oberstufengymnasiums eingefunden, um einer Lesung zuzuhören: „Die Eichmann-Protokolle: Arzt hätt ich nicht werden dürfen“. Zwei Schauspieler der Hannover Kammerspiele lasen aus den Protokollen, die während des Prozesses gegen den ehemaligen Obersturmbannführer 1961 in Israel von den Verhören angefertigt worden sind. Um die Zitate besser einordnen zu können, wurden sie mit Schlagzeilen aus Zeitungen ergänzt. 275 Stunden lang wurde Adolf Eichmann damals verhört, 3564 Seiten umfasste das Protokoll. Die beiden Schauspieler lasen daraus in einem Umfang von etwa 30 Seiten vor. Sie zeichneten das Bild eines Schreibtischtäters, der sich selbst als normalen Menschen und nicht als Teufel sah. Ein Mensch, der einerseits nicht Arzt hätte werden können, weil er kein Blut sehen konnte, auf der anderen Seite aber skrupellos Millionen jüdischer Mitbürger deportieren ließ und in Gaskammern schickte. Eichmann selbst stellte sich als Befehlsempfänger und Befehlsausführer dar, der nie über seine Befehle nachgedacht hätte. „Ich sehe Eichmann als typisches Beispiel dafür, dass man nicht blind anderen folgen dürfe“, meint der Geschichtslehrer Michael Gremler, der die Veranstaltung an die Bachgauschule geholt hat. Sein Anliegen ist, dass die Schüler sehen sollen, dass sie ihren Verstand gebrauchen müssen. Zwei Mal fand die Lesung statt, so dass zwei Jahrgänge der Bachgauschule die Veranstaltung besuchen konnten. Anschließend an die Lesungen hatten die Schüler Gelegenheit, den Schauspielern Fragen zu stellen. Dabei interessierte sie vor allem die Geschehnisse nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie konnte Eichmann entkommen und wie wurde er doch noch verhaftet? Offen blieb die Frage, ob Eichmann aufgrund einer primitiven Denkweise wirklich nur seinen Befehlen gehorcht hat oder ob er die Ahnungslosigkeit über seine Gräueltaten im Prozess nur gespielt hat. Eichmanns Taten liegen nun über 60 Jahre zurück, aber Probleme, die sich aus blindem Gehorsam und mangelndem Nachdenken über das eigene Tun ergeben, sind auch heute leider aktuell. (Text / Foto: GO)
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