Territorialmuseum: Geschichte mit allen Sinnen erleben

Reinhard Munzel bei der Montage der Hör- stationen im Territoralmuseum Babenhausen.

Wer lange nicht in einem Museum war, verbindet mit dem Begriff möglicherweise folgendes Bild: Lange Reihen gläserner Vitrinen, in denen die Objekte mitunter wirken, als seien sie mehr oder weniger zusammenhanglos ausgestellt.

Dazu karteikartengroße Zettel, die die Exponate - vom präparierten Exemplar einer längst ausgestorbenen Tierart über Jahrtausende alte Tonschalen bis zum prachtvollen Ölgemälde - in wenigen Sätzen erklären.

In modern ausgestatteten Museen sollen hingegen alle Sinne angesprochen werden, damit man jene schönen Momente erleben kann, in denen das bizarre Leben vor Jahrmillionen scheinbar wieder aufersteht, man den Erfindergeist unserer Vorfahren zu spüren glaubt oder meint, dabei zu sein, wenn ein Maler sein Kunstwerk erschafft. Viele große Museen binden deshalb ihre Exponate in einen Kontext, machen aus dem bloßen Sehen ein Entdecken, aus der Anschauung ein Erleben.

In kleineren Museen, die oft von ehrenamtlichem Engagement leben und nur über ein schmales Budget verfügen, ist der Einsatz moderner Medien eher die Ausnahme. Das Territorialmuseum in Babenhausen ist eine davon. Wenn es im März eröffnet wird, werden mehr als 30 Medien- und Aktivstationen die Besucher auf ihrer Reise durch die Geschichte Babenhausens und der Region begleiten.

Für die moderne und vielfach interaktive Darstellung der Historie zeichnet Reinhard Munzel (40) verantwortlich. Er lebt erst seit wenigen Jahren in Babenhausen, fühlte sich der Stadt aber sofort verbunden. Nicht zuletzt wegen ihrer wechselvollen Geschichte. Munzel, der zunächst den Zimmermannsberuf lernte, später Architektur studierte, gründete vor 13 Jahren mit Philipp Möckl in Ober-Ramstadt das Unternehmen „Archimedix“. Die Experten planen und realisieren multimediale Ausstellungskomponenten, entwickeln und produzieren Filme für Dauer- und Sonderausstellungen, erstellen digitale Rekonstruktionen von Gebäuden.

Die Entstehung des Territorialmuseums im einstigen Gaylinghaus in der Babenhäuser Amtsgasse sei für ihn in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit gewesen. „Normalerweise übernehmen die Museen die wissenschaftliche Arbeit, die wir dann in einer relativ späten Planungsphase in mediale Anwendungen übersetzen“, erzählt Reinhard Munzel. In Babenhausen jedoch war er von Beginn an in das Projekt eingebunden, den wissenschaftlichen Part übernahm seine Mutter, eine Rechtshistorikerin. „Das Haus wird kein klassisches Heimatmuseum, sondern spannt es den Bogen thematisch und geografisch weit, sodass viel Raum entsteht, um Inhalte auf unterschiedliche Weise zu transportieren.“

Seit der Jahrtausendwende sei eine „Technologisierungswelle“ durch die Museen gefegt, die teils zu einem Wettbewerb um die modernsten Darstellungsformen geführt habe. „Nicht alles, was technisch machbar ist, muss auch zum Einsatz kommen“, findet Munzel. „Jedes Museum hat einen anderen Schwerpunkt, sodass die Präsentationsformen auf die jeweiligen Themen zugeschnitten sein sollten.“ Das können Filme sein, die historische Ereignisse oder Entdeckungen in eine Dramaturgie betten, aber auch Stationen, an denen die Museumsbesucher selbst aktiv werden können. Im Territorialmuseum sollen Besucher sogar selbst kochen können: Im Kellergeschoss, in dem die Vor- und Frühgeschichte Babenhausens das beherrschende Thema ist, kann man in einem Kochtopf die Zutaten für ein steinzeitliches Gericht selbst zusammenstellen.

An Hörstationen erzählen Köche, Hebammen und Dienstmägde vom Leben im Hause der Grafen von Hanau-Lichtenberg, ein Bote des Reformators Erasmus Alberus berichtet von seinen Reisewegen. Die Texte schrieb der Heimat- und Geschichtsverein (HGV), die Rohfassungen sprach Reinhard Munzel ein, später werden die Stimmen von Profi-Schauspielern zu hören sein. An einer Medienstation wird man Interviews mit dem Grafen Johann Reinhard führen können, digitale Rekonstruktionen verdeutlichen, wie Bauwerke entstanden sind. Im Sommer 2011 begannen Mitglieder des HGV, der Stiftung Amtsgasse 32, der das Gaylinghaus gehört, und Reinhard Munzel damit, Ideen zu sammeln und Themenbereiche festzulegen.

„Das Budget war eng, deshalb mussten wir umso kreativer sein“, sagt Munzel. Das gesamte Museum sei nun „strukturell konzipiert“. Auf Touchscreens, die in großen Museen beliebt sind, habe man nicht aus finanziellen, sondern praktischen Gründen verzichtet. „Dauerausstellungen müssen bis zu 20 Jahre halten. Das können nur Stationen mit Stahltasten gewährleisten.“ Was heute als „klassisch“ gilt, war in den Kindertagen des Architekten noch undenkbar. Dennoch habe er schon immer gern Museen und Kirchen besucht, erzählt Munzel. „Ich fand es schon als Kind spannend, in die Geschichte einzutauchen.“   mel

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